Mietzinsreduktion wegen Lockdown?

Seit 22.11.2021 befindet sich die Republik Österreich mittlerweile im vierten Lockdown. Wie aus den vorigen Lockdowns bekannt, dürfen nur „Geschäfte des täglichen Bedarfs“ ihre Türen geöffnet lassen. Der Handel und Anbieter von „körpernahen Dienstleistungen“ bleiben bis voraussichtlich 13.12.2021 geschlossen. Gerade in der Vorweihnachtszeit entgehen den jeweiligen Betreibern von Geschäftslokalen wichtige Umsätze. Ein rechtlich brisantes Thema in diesem Zusammenhang ist, inwiefern einem Mieter eines Geschäftslokals eine Mietzinsreduktion fordern kann.

Eine zentrale Regelung für die Mietzinsbefreiung findet sich in § 1104 ABGB: „Wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Mißwachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist der Bestandgeber zur Wiederherstellung nicht verpflichtet, doch ist auch kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten.“

Das Coronavirus wurde bereits im Jahr 2020 vom Obersten Gerichtshof als Seuche iSd § 1104 ABGB qualifiziert. Nun ist auch der Oberste Gerichtshof (3 Ob 78/21y) den zahlreichen Meinungen zur Mietzinsbefreiung in der Literatur gefolgt: Im konkreten Fall ging es um ein Sonnenstudio, dass aufgrund des behördlichen Betretungsverbotes nicht öffnen durfte. So hält der erkennende Senat fest: „Als Zwischenergebnis folgt daher, dass das Bestandobjekt im April 2020 infolge eines in § 1104 ABGB ausdrücklich genannten Elementarereignisses (Seuche und daraus folgendes behördliches Betretungsverbot) zur Gänze nicht gebraucht werden konnte. Die gesetzlich unmittelbar angeordnete Rechtsfolge ist, dass kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten ist.“

Nun ist somit auch höchstgerichtlich geklärt, dass im Falle der gänzlichen Unbenützbarkeit des Mietobjektes aufgrund eines behördlichen Betretungsverbots zur Eindämmung des Coronavirus gemäß § 1104 ABGB kein Mietzins zu entrichten ist.

Der Oberste Gerichtshof hat im gegenständlichen Fall unbeantwortet gelassen, ob der Erhalt eines Fixkostenzuschusses etwas an der Mietzinsbefreiung ändern würde. Der Oberste Gerichtshof hat sich auch nicht mit der Frage befasst, ob auch ein geringeres Kundenaufkommen zu einer Mietzinsreduktion führen würde oder ein nach wie vor genutztes Lager im Mietobjekt eine Zahlung eines (Teil-)Mietzinses rechtfertigen würde. Er hielt aber fest, dass der Umstand, dass die Einrichtungsgegenstände des Solarstudios im Lokal verblieben, keine teilweise Nutzung bedeuten würde, weil dies eben nicht dem vertraglich vereinbarten Zweck entspräche. Insofern sei auch kein Mietzins für im Mietobjekt verbliebende Einrichtungsgegenstände zu bezahlen.

Zum Thema „Warenlager“ hat bereits das Bezirksgericht Meidling ausgesprochen, dass die bloße Tatsache, dass der Mieter die Räumlichkeiten auch für das Lagern von Sachen nutzte, nicht ausreiche, wenn die eigentliche geschäftliche Tätigkeit durch räumliche Beschränkungen gänzlich verunmöglicht wurde. Die Lagerung von Waren sei nur dann zu berücksichtigen, wenn die Lagerung typischerweise für den eigentlichen Betriebszweck als Verkaufslokal erforderlich ist (BG Meidling 28. 10. 2020, 9 C 368/20b).

Auch das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hielt fest, dass kein Mietzins zu zahlen ist, wenn das Mietobjekt wegen außerordentlicher Zufälle (wie der COVID-19 Pandemie) gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann – wenn aber der Mieter trotz eines solchen Zufalls einen beschränkten Gebrauch des Mietstücks behält, wird ihm (nur) ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses erlassen (LGZ Wien 17.2.2021, 39 R 27/21s).

Ob der Oberste Gerichtshof diesen Ansichten ebenfalls folgen wird, bleibt abzuwarten. Es gibt jedenfalls noch einige offene Themen, mit denen sich der Oberste Gerichtshof in den kommenden Monaten noch befassen wird müssen. Auch wenn nun einige Entscheidungen mieterfreundlich getroffen wurden – ein genereller Anspruch auf Mietzinsentfall nach § 1104 ABGB wegen COVID-19 lässt sich damit nicht begründen, vielmehr bedarf es bei jedem Mietverhältnis einer einzelfallorientierte Detailbetrachtung. Ausschlaggebend sind unter anderem der vereinbarte Mietzweck und die Regelungen im Vertrag zur Risikoverteilung. Die Rechtsunsicherheit unter Mietern und Vermietern ist verständlicherweise groß.

Ungeachtet der Reichweite, die diese Entscheidungen für bereits laufende Mietverhältnisse bringen wird, ist auch zukünftigen Mietverhältnisse große Beachtung zu schenken, denn die Pandemie wird uns noch länger beschäftigen: Die Regelung des § 1104 ABGB ist dispositiv, das bedeutet, dass die Regelung unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen werden kann. Wichtig ist daher, dass Sie Ihren Mietvertrag vor Unterfertigung überprüfen lassen. Wir sind sowohl für die Erstellung als auch für die Überprüfung Ansprechpartner für Sie!

Mag. Katharina Handschur, Wien, am 02.12.2021