Zum Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen

Unlängst beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof wieder mit dem Rücktrittsrecht aus einem Lebensversicherungsvertrag (7 Ob 87/21a). Der Sachverhalt in diesem Fall war folgender: Der Kläger hat bei einer Versicherung einen Lebensversicherungsvertrag mit Versicherungsbeginn im Jahr 2001 und mit einer Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen.

Der Kläger begehrte im Jahr 2018 “Spätrücktritt” wegen unrichtiger Belehrung über die Frist für die Ausübung des ihm zustehenden Rücktrittsrechts nach dem damals noch in Geltung stehenden § 165a VersVG (nun befindet sich in § 5c VersVG die Regelung zum Rücktrittsrecht). Der Oberste Gerichtshof hat diesem Begehren in der oben genannten Entscheidung stattgegeben.

Der Antrag enthielt folgenden Hinweis:

“Ich bin darüber belehrt worden, dass ich innerhalb einer Frist von 14 Tagen (Personen mit Wohnsitz in Deutschland) oder 30 Tagen (Personen mit Wohnsitz in Österreich) nach Erhalt des Versicherungsscheins, der Policenbedingungen und der Verbraucherinformation dem Vertrag widersprechen kann. Zur Wahrung der Frist genügt rechtzeitiges Absenden der Widerspruchserklärung.”

Hingegen lautete der Gesetzestext des § 165a Abs 1 Satz 1 VersVG zum Zeitpunkt des Antrags: “Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, binnen zweier Wochen nach dem Zustandekommen des Vertrags von diesem zurückzutreten.”

Der OGH bekrittelte an der Rücktrittsbelehrung, dass

  • die Rücktrittsbelehrung der Versicherung nicht dem Gesetzestext in § 165a Abs 1 Satz 1 VersVG (aF) entspreche;
  • der Begriff “Verbraucherinformation” im österreichischen Recht nicht konkret definiert ist, sodass der Versicherungsnehmer keine Klarheit darüber hat, ob und wann er alle Informationen erhalten hat, die die Rücktrittsfrist auslösen;
  • der Kläger nicht darüber informiert wurde, dass der Fristbeginn für das Rücktrittsrechts das Zustandekommen des Vertrags ist;
  • das VersVG für die Vertragsauflösungserklärung ohne Grund nur den Begriff “Rücktritt” und nicht “Widerspruch“ kennt. Durch die Verwendung eines im österreichischen Recht im vorliegenden Zusammenhang nicht auffindbaren Begriff wird es dem Versicherungsnehmer erschwert, sich über die anzuwendenden konkreten gesetzlichen Bestimmungen und seine Rechte zu informieren;

Zusammengefasst kam der OGH daher zu der Ansicht, dass der Kläger ein unbefristetes Rücktrittsrecht habe, wenn der Versicherer nicht fehlerfrei über das Rücktrittsrecht informiert hat.

Wurden auch Sie fehlerhaft über das Rücktrittsrecht belehrt? Wir überprüfen gerne Ihre Vertragsunterlagen und beraten Sie bezüglich Ihrer rechtlichen Möglichkeiten, den Vertragsrücktritt zu erklären.

Mag. Katharina Handschur, Wien, 18.01.2022